Was sind Megatrends und warum kann man mittlerweile schon den Zukunftsforschern glauben?
Mittlerweile gibt es ja schon einige anerkannte Zukunftsforscher und diese leisten durch wissenschaftliche Forschung sehr gute Arbeit. Nennen mag ich nur ein paar davon wie Prof. Dr. Horst Opaschowsky, Sven Gabor Janzsky, Matthias Horx. Ihre Vorhersagen begründen sich auf eigene Studien, wissenschaftlichen Arbeiten und unternehmensübergreifende Arbeitsgruppen mit Top-Managern und Politikern.
Was kennzeichnet Megatrends?
Megatrends sind kein Blick in die Glaskugel, sondern bereits begonnene Transformationsprozesse, die uns schon prägen und noch lange prägen werden. Sie sind langfristig, haben globale Bedeutung und treten mit hoher Wahrscheinlichkeit ein. Megatrends wirken politisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich. Die spezifische Ausprägung unterscheidet sich von Region zu Region und sie wirken auf die Akteure wie Regierung und Individuen und sind wichtige Bausteine der strategischen Arbeit von Unternehmen. Zum Beispiel können Megatrends neue Bedürfnisse und Märkte schaffen, sowie neue Zielgruppen und Geschäftsfelder entstehen lassen.
Was sind die 10 Megatrends der Zukunft?
In den Veröffentlichungen werden oft 15 bis 20 Megatrends genannt. Ich habe sie einmal zu den zehn – meiner Meinung nach wichtigsten – Megatrends zusammengefasst. Es sind der Demographischer Wandel, die Individualisierung, Gesundheit, Female Shift, Digitalisierung, Globalisierung, Lernen und Intelligenz, New Work, Neo-Ökologie, Energie und Mobilität. Wer mehr darüber wissen mag, einfach weiterlesen…
Megatrend 1: Demographischer Wandel
Die weltweit steigende Lebenserwartung lässt uns nicht nur älter werden, sondern auch anders altern. Unsere Bevölkerung steigt weltweit. Im Westen wird es eine Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung geben. Dem gegenüber steht jedoch ein Geburtenboom in den Entwicklungsländern. Mit wachsende Migrationsströmen und der damit notwendigen verbundene Integration von Ausländern werden die industriellen Ländern sich beschäftigen müssen. Es kommt auch zu demographischen Verwerfungen, das heißt regional unterschiedliche Lebensstandards, z. B. ein Ost-West-Unterschied oder Nord-Süd-Unterschied. Individuell gesehen kommt es zu einem Wandel in den traditionellen Altersrollen. Menschen sind im Alter fit, gehen nicht in den “Ruhestand”, sondern nehmen weiterhin aktiv am gesellschaftlichen Leben teil. Die Silver Society ist für viele Unternehmen eine attraktive Zielgruppe.
Megatrend 2: Individualisierung
Die Individualisierung ist ein globales Phänomen und wird durch die globale Welt und das damit verbundene weltweite Arbeiten geprägt. Ein verändertes Beziehungsgeflecht entsteht, das heißt, es gibt wenige starke, aber viele lose Bindungen. Tiefe Freundschaften, die ein Leben lang halten und von Vertrauen und Hingabe geprägt sind haben Menschen zukünftig nur wenige. Dem gegenüber stehen viele Kontakte auf der ganzen Welt, die als lose Bindungen über digitale Netzwerke gepflegt werden. Der Wandel geht auch vom Massenmarkt zum Mikromarkt. Das bedeutet für ein Unternehmen, dass es seine kleine Nische mit seinem Alleinstellungsmerkmal finden muss und kann. Flexibilität, Risikobereitschaft und Kreativität kommt in dem Zusammenhang auf die Unternehmen zu. Eine neue Sehnsucht nach Selbstversorgung unterstützt diesen Megatrend, wie zum Beispiel Urban Garden oder “to it yourself” wie Bauen, Häkeln, Nähen und Kochen gewinnen weiterhin an Bedeutung. Lebensräume der Zukunft werden vielfältiger, vernetzter, lebenswerter und in jeder Hinsicht grüner werden. Somit ist die Urbanisierung mit dem Wachstum der Megacitys und den oben angedeuteten neuen Wohn-, Lebens- und Partizipationsformen ein Folge dieses Megatrends und könnte sogar als eigener Megatrend gesehen werden.
Megatrend 3: Gesundheit
Gesundheit wird nicht mehr als das Gegenteil von Krankheit angesehen. Der Megatrend Gesundheit zeigt sich in einem steigendem Gesundheitsbewusstsein und zunehmender Selbstverantwortung, einem Bewusstsein für die Balance der individuellen Lebensenergie. Durch das Internet informieren sich die Menschen und werden zu kritischen, aber auch wissenden Patienten. Gesundheits-Apps unterstützen einen gesundheitsorientierten Lebensstil. Zudem entsteht durch die Digitalisierung neue Systeme der Gesundheitsversorgung, wie zum Beispiel die Telemedizin. Neue Nahrungsmittel wie Funktional Food und Gen Food nehmen einen zusätzlichen Platz in der Ernährung ein.
Megatrend 4: Female Shift
Dieser Begriff beschreibt einen grundsätzlichen Wandel unserer männerdominierten Welt. Es erfolgt zukünftig eine noch größere Integration der Frauen in das Erwerbsleben, weibliche Softskills wie zum Beispiel die Emotionale Intelligenz gewinnen an Bedeutung. Die damit verbundenen Umbrüche bringen neue große Chancen für das Berufs- und Privatleben. Männer und Frauen finden eine neue Lebensbalance, weg vom klassischen Rollenverständnis, hin zu einer ganzheitlichen Verwirklichung und zu neuen Beziehungs- und Familienmodellen, wie Patchwork- und unterkulturelle Familien.
Megatrend 5: Digitalisierung
Die digitale Vernetzung und somit das Leben in einer digitalen Welt erfasst sowohl die Wirtschaft, als auch die Gesellschaft. Das Internet steht vor seinem nächsten Quantensprung. Ende 2015 werden mehr als drei Milliarden Menschen weltweit online sein, zwei Milliarden davon sind mobil. Bis 2030 werden rund vier Milliarden Menschen einen Internetzugang haben, das ist ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung. Das Web 2.0 mit seinen neuen Medien erobern den Alltag. Das Handy ist nicht zum Telefonieren, sondern als mobiles Informations- und Kommunikationsgerät zu sehen. Es entsteht eine “always-on-Gesellschaft” mit Menschen die über verschiedene mobile Endgeräte permanent mit dem Datennetz verbunden sind. Es entsteht eine neue Organisation der Menschheit in Netzwerken, eine Konnektivität. Mensch und Maschine nutzen das Internet zur Kommunikation, alles und jeder ist verbunden. Für Unternehmen bedeutet das eine noch höhere Transparenz von unternehmerischen Geschehen. Eine neue Kultur der Vernetzung und Kommunikation öffnet Unternehmen und fordert neue administrative Strukturen wie zum Beispiel ein stärkere Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit. Zudem wird ein digitaler Lebensstil mit virtuellen Businesswelten und virtuellen Realitäten vorhergesagt und wird schon jetzt erlebbar in einigen Navigationsgeräten und Spielen.
Megatrend 6: Globalisierung
Dank der Internationalisierung der Märkte partizipieren nun auch die Schwellenländer am Welthandel und wirtschaftlichem Wachstum. Notwendig sind globale Strategien mit lokaler oder regionaler Anpassung. Weltweit wird es eine globale Mittelklasse geben. Dabei bestimmt der Zugang zur Technologie, der Mobilität und der Bildung die Basis des Lebensstandards. Die eher nationalen Kapitalströme wandeln sich zu globalen Kapitalströmen. Neue Formen der Finanzierung und Geldbeschaffung wie Fundraising zeigen sich. Eines bring die Globalisierung zudem mit sich und wird oftmals auch als eigenen Megatrend verstanden: Es ist die neue politische Weltordnung, die sich im Aufstieg Chinas und Indiens zu Weltmächten, der Krise der westlichen Demokratien, der Renaissance Russlands und dem Aufbruch Afrikas zeigt. Diese neue politische Weltordnung und die wachsende globale Sicherheitsbedrohung durch schwelende kulturelle Konflikte und gescheiterte Staaten, globalem Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen beeinflussen die Globalisierung.
Megatrend 7: Lernen und Intelligenz
Im Bereich des Lernens zeigen sich gleich zwei Trends. Zum einen ein digitales Lernen als auch ein Lernen von der Natur. Digitale Medien schaffen einen immer leichteren Zugang zu einer wachsenden Wissensmenge. Weltweit ist Bildung ein Schlüssel zu einer hoffnungsvollen Zukunft und der Zugang steht zunehmend allen Menschen zur Verfügung. Ein “War for Talents” entsteht. War die Auswahl von Bewerbern eher regional geprägt, zeigt sich zunehmend, vor allem in akademischen Berufen, das mit hoch qualifizierten Bewerbern aus den Schwellenländern zu rechnen ist. Der zweite Trend im Lernen ist das Lernen von der Natur. Biologie wird zunehmend zur Leitwissenschaft, die Bionik erfährt ihre Renaissance und die Erkenntnisse aus der Schwarmintelligenz prägen neue soziale Organisationsformen.
Die fortschreitende IT-Revolution bringt eine weltweite Wertschöpfung mit sich. Es entstehen neue Schnittstellen und Oberflächen. Die Erkenntnisse aus dem Bereich der Neurowissenschaften lassen den Einsatz der künstliche Intelligenz und Robotik wachsen. Eine transparente Gesellschaft, eine neue Society mit mehr Überwachung und Kontrolle nimmt ohne Widerstand der Gesellschaft, fast selbstverständlich Einzug in das Leben jedes Einzelnen. Unterstützt wird der Megatrend auch von der Konvergenz von Technologien. So nähert sich die Informationstechnologie und die Nanotechnologie einander an und erhalten Impulse aus der Medizin, Energie und von der Materialkunde und Biologie. Wissenschaftler sprechen in dem Zusammenhang auch von der NBIC-Konvergenz, also einer interdisziplinären, fachübergreifenden Zusammenarbeit der Nanotechnologie, der Biotechnologie, sowie der Informationstechnologie und der Neurowissenschaften. Neues Wissen und eine neue Intelligenz entstehen.
Megatrend 8: New Work
Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Die Veränderung zeigt sich zum Beispiel in der fortschreitenden Automatisierung (zuerst im Produktionssektor, dann im Servicesektor und beginnend nun im Wissenssektor) und der Dynamisierung der Arbeit (orts- und zeitungebundenes Arbeiten mit einer Veränderung der Unternehmensstrukturen und Arbeitsräume). Flexible und interaktive Arbeitsstrukturen entstehen und die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen. Wir haben mehr Raum für Kreativität und Innovation. Innovationen werden zentrale Treiber für Wettbewerbsfaktoren hin zu einer wissensbasierten Ökonomie. Durch das Netzwerken lösen sich Branchen, Märkte und Unternehmen auf. Kooperation, Verbundenheit und Zusammenarbeit gewinnen an Bedeutung. Neue Wertschöpfungen zeigen sich nicht in neuen Produkten, sondern in neuen Wertschöpfungsketten durch Kundenintegration und einem Vorteil im Kooperationswettbewerb. Das Branding der Marke, das heißt die Markenentwicklung des Unternehmens, ist in der Zukunft einer der wichtigsten strategischen Aufgaben in einem Unternehmen und schließt auch das Employer Brandung mit ein.
Megatrend 9: Neo-Ökologie
Klimawandel und Umweltbelastung zeigen sich in zunehmenden CO2-Ausstoß und dem globalen Temperaturanstieg. Gerade in den Schwellen- und Entwicklungsländern wächst die Umweltproblematik und zeigt sich in Luftverschmutzung und Überschwemmungen. Saubere Technologien und die steigende Verantwortung der Unternehmen hin zu einem CSR, einer neuen Business-Moral ist ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. Wachstum wird zukünftig als eine Mischung aus Ökonomie, Ökologie und gesellschaftlichem Engagement verstanden. Die Wertorientierung gewinnt weiter an Bedeutung, die “Guten” werden weiterhin wirtschaftlichen Erfolg haben. Ethische Autorität (Glaubwürdigkeit der ethischen Positionierung) und die soziale Verantwortung führen zu einem Investmentboom von “grünen Aktien” und drücken sich bei Personengesellschaften im Unternehmenswert aus.
Megatrend 10: Energie und Mobilität
Global zeigt sich sowohl und den Megascitys neue Infrastrukturen als auch eine insgesamt anwachsende Mobilität. Eine multimediale Mobilität mit der Nutzung mehrerer Fortbewegungsmittel in Kombination und navigiert über App im Handy. Gleichzeitig werden neue Fahrzeugkonzepte mit neuen Antriebstechnologien entstehen, wie zum Beispiel die Elektromobilität und das autonome Fahren. Ein Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen wird dabei notwendig sein. Parallel dazu verläuft ein Umdenken bei Energie und dem verantwortungsvollen Umgang mit unseren Ressourcen. Die nachgewiesene Verknappung der fossilen Energieträger, Frischwasser, Mineralstoffe und Metalle führen zur Nutzung alternativer Energiequellen und nachwachsender Rohstoffe. Der gerade noch künstlich niedrig gehaltene Rohölpreis bremst gerade noch die bevorstehende Energieeffizienz-Revolution. Eine dezentrale Energieversorgung wird die Energieversorgung der Zukunft sein.
Was bedeutet das für das Konsumverhalten der Kunden?
Grundsätzlich zeigt sich eine Partizipation der Dritten Welt am Wohlstand (Bottom of the Pyramid), ein nachholenden Luxus in China, Indien und Russland und ein nachhaltiger Konsum im Westen (Lohas, Eco Chic, Moral Commerce). Materielle Konsumprodukte sind weniger gefragt, essenzielle Erfahrungen (Zeit- und Sinnerlebnisse) werden gewünscht. Das bedeutet, das Konsumverhalten geht hin zu auf den auf das Nötigste reduzierten Genuss (Auszeit statt Auto), das Erleben von Sinnhaftigkeit im Konsum und der höheren Gewichtung von Freizeit statt Besitz. Kunden wünschen beim Konsumieren eine höhere Interaktion auf allen Kanälen und genau diese Interaktion ist der entscheidende Faktor für die Kundengewinnung und Kundenbindung.
Autorin: Anita Schmitt