Lebenskunst wird in der Literatur oft als unbeschwerter Lebensgenuss gesehen. Dies umfasst sowohl den gelassenen Umgang mit Herausforderungen ob Lebensereignisse wie Tod, Trauer, Trennung als auch ehemalige sowie akute Verwicklungen, wie z.B. Trauma und Konflikte. Wie würde es aber sein, wenn wir das Leben selbst als Kunstwerk sehen und nach diesem Anspruch gestalten?
Um sich der Antwort auf diese Frage zu nähern, ist es nötig, sich erst einmal auf grundlegende Begriffe zu verständigen.
Kunst ist menschlicher Ausdruck
Vielleicht sollte man zuerst einmal definieren, was Kunst ist. Wie sagte Tolstoi 1980:„Kunst ist eine menschliche Tätigkeit, die darin besteht, daß ein Mensch durch bestimmte äußere Zeichen anderen die von ihm empfundenen Gefühlen bewusst mitteilt und daß andere Menschen von diesen Gefühlen angesteckt werden und sie erleben“ „Die Kunst ist ein Ausdruck, d.h. sie verdankt ihre Existenz dem Bedürfnis des Menschen, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken“ ( Tatarkiewicz 1980 zitiert nach Mäckler 1987, S.127 ) und gibt somit einen Eindruck von dem vom Künstler wahrgenommenen Leben. Kunst ist somit ein menschlicher Ausdruck und Kommunikationsmittel zugleich. Somit ist schöpferisches gestalten oder künstlerisches gestalten ein aus sich herauskommendes wirken.
Ohne Wahrnehmung gibt es keine Kunst
Die innere und äußere Wahrnehmung prägt unsere Innenwelt und Außenwelt, somit einer Sinnes- und Selbstwahrnehmung. Ohne Wahrnehmung gibt es keine Empfindung, kein Verhalten und kein Erleben. Die Prozesse der Informationsgewinnung und der Informationsverarbeitung von Sinneseindrücken, sowie die Deutung des Ergebnisses wird in der Literatur als Wahrnehmung bezeichnet. Wenn wir etwas als besonders schön empfinden, bezeichnen wir es oft als geschmackvoll oder ästhetisch. Ästhetik kann aber nur festgestellt werden, wenn wir eine Erkenntnis durch unsere Wahrnehmung über die Sinne erlangen. Somit durch künstlerisches Gestalten eine Verfeinerung der Wahrnehmung erfolgen und durch künstlerisches Gestalten die Kreativität gefördert werden. Nach Navratil dient somit die künstlerische Tätigkeit der Ichfindung und das Ich in Beziehung zur Welt.
Für die Wahrnehmung ist ständigen Achtsamkeit, Vergegenwärtigung, Präsenz, Wertungsfreiheit förderlich und führt zu einer höhere Bewusstseinsentwicklung. Verbunden mit Verantwortungsbereitschaft und Gestaltungswille könnte so eine Lebenskunst entwickelt werden und zur Erfahrbarkeit der eigenen Essenz, des Selbst im Sein führen.
Eine solche Lebenskunst hätte dann typischen Merkmale wie empfundenes Glück, Sorge für sich selbst, werteorientiertes Handeln, Schönheit des Wesens und gelebte Spiritualität aus, und übersteigt sie mit einer tiefen Verankerung der Seele. Sie zeigt sich in der Schönheit, Klarheit und Reinheit des Wesens. Bemerkbar ist sie wie ein Kunstwerk durch die Bewunderung bzw. Beachtung des Meisterhaften, Einzigartigen und der Ästhetik.
Leben als Kunstwerk
In der Natur werden oftmals bereits dies Lebenskunstwerke sichtbar. Wir empfinden sie als einzigartige Augenblicke, oftmals auch als spirituellen Moment, wie zum Beispiel, wenn die Sonne im Wald mystische Stimmungen erzeugt. Aber hier gibt es für jeden Menschen einen anderen Augenblick, der ganz besonders ist, über Körper, Geist und Seele erfahrbar wurde und als dankbare Erinnerung im Gedächtnis bzw. als Körperempfindung bleibt.
In der Kunst berichten Kunstschaffende ebenso von der Lebenskunst. Als Künstler und Kunstwerk zugleich, stellt der Künstler sie sich zur Verfügung, um einen Ausdruck und Eindruck zugleich zu schaffen. Über Kunst besteht die Chance den Moment eine Gestalt zu geben. Dabei versinkt der Künstler in sich selbst, frei von äußeren Einflüssen und Bewertungen und nimmt die Gestalt des Kunstwerkes ein. Der Künstler strebt immer nach Vollkommenheit des Schönen und lässt das Kunstwerk als solches leben.
Übertragen wir das auf das Leben, könnte es sein, dass das Leben als Kunstwerk ein Leben im ständigen Bemühen des einzigartigen Schönen mit einer durchdrungenen Wahrheit und Lebendigkeit unter Wahrung allem Leben ist.
Copyright Anita Schmitt