Wer führen will, muss Menschen lieben

Immer mehr Führungskräfte reagieren sensibel und hoch emotional im Kontakt mit ihren Mitarbeitern, Vorgesetzten und Kollegen. Einige Führungskräfte fühlen sich überfordert. Gerade in den letzten Jahren kamen Herausforderungen hinzu, wie zum Beispiel kurzfristige Vorgaben der Regierung, hoher Krankenstand und steigender Fachkräftemangel. Führungskräfte müssen sich zudem den Anforderungen mehrerer Generationen und der Diversität unterschiedlicher Kulturen stellen. Zudem werden aufgrund des Bedarfs und fehlender Optionen immer mehr gute Sachbearbeiter in Führungspositionen eingesetzt, ohne wirklich darauf vorbereitet zu sein.

Die Wirksamkeit erhält die Führungskraft durch Charakter, Problemlösungskompetenz, Beherrschen von Führungstechniken, gepaart mit einer fachlichen Expertise und nicht wie vor Jahrzehnten aufgrund der Rolle oder Position. Der Wertewandel der Generationen ist auf allen Ebenen eines Unternehmens angekommen und fordernde, distanzlose und diskussionsfreudige Mitarbeiter sind in der Führung das Tagesgeschäft.

In diesem Spagat zwischen unklaren Zielen von oben, Reporting und Kontrolle, sowie erlernten alten Führungsstilen, fehlender Führungskompetenz und dem eigenen Verantwortungsbewusstsein, zerreibt sich die Führungskraft und erschöpft.

 Wer führen will, muss Menschen lieben

In der Praxis zeigt sich, dass Leadership-Methoden eine gute Grundlage für die Führung sind. Entscheidend ist aber der Charakter, die eigene Haltung als Führungskraft und die persönliche Einstellung zu anderen Menschen. Wer führen will, muss Menschen lieben.

Führen beginnt bei der eigenen Person. Stellen Sie sich die Fragen: Wie sind Sie in ihrer eigenen Führung? Achten Sie sich, sorgen Sie gut für sich? Trauen Sie sich und anderen? Leben Sie und schätzen Sie ihre Beziehungen in der Familie und mit Freunden? Wie gehen Sie mit Schwächen und Fehlern um, bei sich selbst und bei anderen? Können Sie Ihre Wünsche und Kritik äußern, ohne zu verletzen oder auch selbst gekränkt zu sein? Es geht um geklärte zwischenmenschliche Beziehungen, die von Dauer sind, offen und ehrlich gelebt werden. Es geht um Menschen, die sich einfühlsam und liebevoll zuwenden können, gleichzeitig klar und sachlich Halt geben.

Führen mit ehrlichem Interesse am Menschen

In der Führung geht es um ehrliches Interesse an jedem einzelnen Mitarbeiter. Es geht nicht mehr um das Verwirklichen von Zielen, sondern um Transformation und somit Entfaltung der Mitarbeiter, der Organisation, des Unternehmens. Intuition und Empathie, Feinfühligkeit und Souveränität sind notwendig, um charismatisch Mitarbeiter zu begleiten auf dem Weg zur Höchstleistung und ihrer eigenen persönlichen Entwicklung. Die New-Work-Bewegung verabschiedet sich von Alpha-Tieren und fordert Führung auf Augenhöhe. Das geht aber nur, wenn die Führungskraft eine eigene hohe persönliche Reife hat. Es geht nicht mehr um „Mein Haus, mein Auto, mein Büro, mein Chefsessel“ und somit Status, Ansehen und Geld. Geld ist ein Tauschmittel und hier sollte sich jeder bewusst sein, für was er es eintauschen möchte und das auch klar kommunizieren können. Führungskräften sollten Dinge nicht wichtig sein, sondern Menschen. Menschen lieben heißt ein tiefverwurzeltes positives Menschenbild zu besitzen und vorurteilsfrei, sogar bewertungsfrei agieren zu können. Wer mit Liebe führt, ist in Verbindung von Herz und Verstand und somit authentisch wirksam. Es geht darum, aus einer Freude am eigenen Tun anderen Menschen zu dienen.

Kommunikation mit Mitgefühl

Die Kommunikation ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Eine gute Kommunikation bedarf Mitgefühl. Fühlen und Einfühlen um dann aus dieser Herzenshaltung heraus zu sprechen. Des anderen Argumente zu hören, sich in ihn einzufühlen, um ihn zu verstehen. Reden auf sachlicher Ebene führt nicht zum Verstehen. Nur wenn ich mit anderen in Berührung komme, kann ich inspirieren. Es geht darum das Leben im Mitmenschen zu wecken. In all der Betriebsamkeit und Funktionalität des Alltags ist es vielleicht zuvor wichtig zur Stille zu kommen, um sich selbst zu erfahren. Ein Beispiel aus der Praxis: So gehen die Mitarbeiter der Heiligenfeld Kliniken vor jeder Besprechung erst ein paar Minuten in die Stille. Das kann eine kleine angeleitete Pause mit Hilfe eines Zitats sein, oder ein meditatives Sitzen in völliger Ruhe. Erst dann werden die Tagesordnungspunkte des Meetings besprochen.

Schon Aristoteles wusste: „Den Verstand zu schulen, ohne das Herz zu schulen, ist keine Schulung“. Der Verstand ist abhängig von der Wahrnehmung, und diese wird beeinflusst von Innen und Außen. Somit unterliegen wir mit einer rein verstandesmäßigen Führung unseren Sinneseindrücken und dem begrenzten Wissen. Wir bewegen uns sonst von einer Teillösung zur nächsten und schaffen Probleme von morgen, da wir nicht das Ganze sehen. In der Praxis geht es dann nicht um personenbezogene oder abteilungsbezogene Problemlösung, sondern um sinnstiftende Lösungen im Sinne einer lebendigen Unternehmenskultur. Führen mit Liebe heißt sich dieser Begrenztheit bewusst zu sein. Die Lösung ist die Schulung der Wahrnehmung und der Achtsamkeit hin zu einer Haltung der Offenheit, eine Offenheit für ein Sowohl-als-auch, eine Offenheit für verschiedene Szenarien, eine Offenheit für Dynamik, Veränderung und Wandel.

 Nicht jedes Unternehmen ist bereit für eine l(i)ebenswürdige Führung

Führen mit Liebe geht allerdings nicht in jedem Unternehmen. Nur wenn das „Leben“ als Maßstab des Handels gesehen wird, kann eine lebendige Organisation und somit auch Kultur entstehen. Die Organisation darf das Wirtschaftsleben nicht überhöhen, somit sind rein wirtschaftliche Ziele ein Tabu. Alles spielt zusammen, es gibt keine Betrachtung der getrennten Individuen. Die Unternehmenskultur beruht auf Verbundenheit. Das Geben und Nehmen und somit die vertragliche Vereinbarung verliert an Bedeutung, das Leben als solches und somit die Schöpfung, die Kreativität, das Lebendige steht im Fokus.

 

Wie sagte schon der griechische Philosoph Aristoteles: „Wenn auf der Erde Liebe herrschen würde, wären alle Gesetze entbehrlich.“ Wandeln wir es ein wenig ab: „Wenn auf der Erde Liebe herrschen würde, wäre Führung weitestgehend entbehrlich.“