Schon in den 70er Jahren bezeichnete der Psychologe Albert Bandura die Fähigkeit durch eigene Kraft gewünschte Handlungen erfolgreich selbst ausführen zu können, als Selbstwirksamkeit. Dabei zählt nicht der Erfolg der Handlung, sondern der Glaube, selbst etwas zu gestalten, erreichen oder verändern zu können.
Entwicklung der Selbstwirksamkeit
Bandura nennt vier Faktoren, die Selbstwirksamkeit (oder wie er es auch nannte: Selbstwirksamkeitserwartung) beeinflussen. Es sind eigene Erfolgserlebnisse, stellvertretende Erfahrung, verbale Ermutigung und emotionale Erregung. Was heißt das? Jeder hat es schon festgestellt. Erfolg bei der Bewältigung einer schwierigen Aufgabe stärkt den Glauben an die eigenen Fähigkeiten, den Selbstwert. Die stellvertretende Erfahrung bezeichne ich nun mal salopp als „Rudelerfahrung“. Das heißt, man kann auch von Anderen lernen oder sich von anderen Handelnden („was der kann, kann ich auch“) ermuntern lassen. Die verbale Ermutigung kennen wir alle. Wie oft haben wir schon gehört: „Das kannst du schon“. Das entgegengebrachte Vertrauen von vertrauten Personen gibt Kraft an die eigene Fähigkeit zu glauben.
Selbstwirksamkeit und Stillstand
Nehmen wir einmal an, ein Mensch mit vielen Ideen, Lebendigkeit, Gestaltungswillen, großer Kompetenz und Eigenmotivation fängt in einem Unternehmen an mit starren Strukturen, langen bürokratischen Wegen oder einem patriarchischen Chef. Was passiert dann? Hat er schon eine gute Frustrationsgrenze und seinen Selbstwert entwickelt und ist geduldig, kommunikationsstark mit einer guten Lifebalance, wird er damit umgehen können. Ist das alles oder nur ein Teil nicht der Fall, empfindet er dies als Ausbremsen, Verharren, Erstarren. Widerstand und Unverständnis, teils Aggression oder Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Lethargie entstehen. Nun könnte es sein, dass er sich noch mehr anstrengt um vielleicht doch noch etwas zu bewegen, um sich und anderen etwas zu beweisen. Kraft und eine übermäßige Energie wird eingesetzt. Zeigt das nicht den Erfolg, kann es zu physischer und psychischer Erschöpfung kommen. Ebenso könnte es sein, dass der empfundene äußere Stillstand ein Gefühl der Sinnlosigkeit hervorruft. Das eigene Leben wird in Frage gestellt. Wird beides erst spät bemerkt oder kommen noch zusätzliche Herausforderungen wie ein instabiles soziales Umfeld wie zum Beispiel Isolation, Scheidung, Tod, finanzielle Not etc hinzu, kann es zur Lebenskrise kommen. Das „Brennen für was“ wird zum eigenen Ausbrennen. Der Mensch nimmt seelischen Schaden.
Selbstwirksamkeit und Dynamik
Nun noch ein anderes Szenario. Nehmen wir einmal an, der gleiche Mensch trifft auf eine lebendige Unternehmenskultur, eine lernende Organisation, einer werteorientierten Führungsperson. Ihm wird Vertrauen und Wertschätzung entgegengebracht. Innerhalb eines bestimmten Rahmens (Aufgabe und Rolle) hat er ein ihm bekannten Gestaltungsspielraum und Wirkungskreis. Er kann sich ausprobieren. Je nach seinen Neigungen wird er sein Wesen entfalten und sich voll und ganz einbringen. Erfolge sind garantiert. Auch hier gibt es Risiken, denn er wird erfolgsverwöhnt. Er möchte immer höher, immer schneller seine Erfolge erreichen. Menschen in seiner Umgebung können diese Geschwindigkeit vielleicht nicht mitgehen, fühlen sich missverstanden, getrieben und überschätzen ihre Kraft, bleiben erschöpft auf der Strecke. Noch ein anderer Aspekt: Im Idealfall ist es das Wirken was ihn antreibt. Was passiert aber, wenn die für ihn reizvollen Aufgaben und das gestalterische Sein ausbleiben? Auf diese Frage habe ich leider noch keine Antwort gefunden. Was meint ihr?
Autorin: Anita Schmitt