Zeit ist ein Konstrukt. Es ist eine Erfindung der Menschheit, um messbare und vergleichbare Abschnitte im Verlauf des Lebens zu haben. Dennoch bedeutet die Zeit uns alles, wie sich in vielen Sätzen zeigt wie „Ich habe keine Zeit“, „Zeit ist Geld“ oder „Zeit ist kostbar“. Ist das so?
Die Zeit können wir nicht nicht erfassen und nicht erfahren. Früher verabredete man sich anhand von natürlichen Zeitabschnitten wie bei Sonnenaufgang oder um die Mittagszeit. Zeit war nicht festgeschrieben und starr. Sie hatte Spielraum. Pünktlichkeit und somit ein zu früh oder zu spät gab es nicht. Das ist in der heutigen Zeit undenkbar sich in einem Zeitabschnitt zu treffen. Die Uhr bestimmt uns, geißelt uns. Die Zeit läuft davon, wir haben zu wenig davon.
Ich finde die griechischen Mythologien rund um Chronos und Kairos sehr spannend und deshalb mag ich sie einmal nacherzählen.
Chronos und Kairos – Götter der Zeit
In der griechischen Mythologie gibt es zwei Götter der Zeit: Chronos und Kairos. Wenden wir uns aber erst einmal Chronos zu. Er ist Kind des Himmelsgottes Uranus und der Erdgöttin Gaja. In unserer Spache findet er Verwendung in den Begriffen Chronologie, Chronometer oder auch chronisch und steht für das Verstreichen der Zeit, einem Zeitverlauf, für den Abschnitt von Beginn bis Ende. Er drückt sich aus in der Natur vom Aufblühen bis zum Verwelken, in der Lebenszeit der Menschen oder dem Bestehen des Universums seit dem Urknall. Ähnlich wie wir unsere Zeit oft beurteilen, war auch der Gott Chronos grausam, hart, quälend. Laut der Mythologie, tötete er seinen Vater Uranus um die alleinige Macht zu haben. Um nicht selbst von seinem eignen Kindern ermordet zu werden, verschlang er all seine Kinder, bis auf eine Ausnahme: Zeus. Er wurde im Verborgenen von Rhea geboren und versteckt. Zeus galt somit als Sinnbild dafür, wer die Verantwortung für sein Leben selbst in die Hand nimmt, kann den Fängen von Chronos entkommen. Das heißt, jeder sollte die Zeit als seine Zeit definieren und sich seiner eigenen Lebenszeit bewusst werden. Wer dazu neigt, sich treiben zu lassen, Entscheidungen anderen überlässt, Schuld anderen zuweist, wird dann chronisch erschöpft, chronisch überfordert, chronisch krank sein und stirbt. Übrigens als Zeus groß war, brachte er Chronos dazu, die verschlungenen Geschwister Hestia, Demeter, Hera, Hades und Poseidon wieder auszuspucken. Zeus heiratet seine Schwester Hera und hatte vier Kinder mit ihr, sowie mit seinen Liebschaften unter anderem die Töchter Helena, Aphrodite, Athene, Iris oder auch Herakles, Hermes und Donysos. Zeus jüngster Sohn Kairos ist der zweite der erwähnten griechischen Götter der Zeit. Er steht für den rechten Augenblick, der Moment. Bildlich wird Kairos in der griechischen Mythologie als ein Jüngling mit Flügelchen an seinen Füßen stets auf Zehenspitzen umher huschend, niemals still stehend beschrieben. Niemand weiß, wann er wo sein wird und ist er da, ist er auch schon wieder weg. Ganz markant ist sein Haarschopf und sein kahler Schädel, sowie das messerschafer Rasiermesser in seiner Hand. Durch Kairos wurde die Redewendung geprägt „Die Gelegenheit am Schopfe packen“, was bedeutet, dass man vorbereitet sein sollte für den rechten Augenblick, dann kann man zugreifen (Schopf packen) oder wenn nicht zeitig genug zugegriffen am kahlen Hinterkopf abrutschen. Kairos gibt der Zeit eine völlig neue Dimension. Er verleiht der Zeit Tiefe, eine Qualität. Mit Mut und Entscheidungsfreude, geht man ins freudvolle Handeln. Geht ein Risiko ein, irrt, sammelt Erfahrung, übernimmt Verantwortung für sich, den Gedanken und Gefühlen, dem eigenen Leben. In Kairos und somit dem rechte Augenblick, dem verantwortlichen mutigen Handeln, liegt der Schlüssel zum Glück.
Autorin: Anita Schmitt