Interview mit Dr. Alexander Siebel zu seiner Tätigkeit als Einsatzleiter im Katastrophenschutz. Dr. Siebel vereint seine ehrenamtliche Tätigkeit mit seiner Anstellung als Oberarzt und Herzchirurg am Rhönklinikum Bad Neustadt.
In einem Online-Meeting des Neubürgerstammtisches über Zoom beantwortet er die Fragen von Dr. Elisabeth Müller, sowie den Neubürgern am 21. Mai 2020.
Herr Dr. Siebel, Sie sind mit Leib und Seele Herzchirurg und Notarzt – gleichzeitig engagieren Sie
sich beim Katastrophenschutz. Wie passt das zusammen?
Das sind drei verschiedene Tätigkeitsfelder. Als Herzchirurg arbeite ich in der Klinik für Kardiochirurgie in Bad Neustadt. Ich bin dort Oberarzt für den Bereich Herzschrittmacher und Defibrillatoren. Ich bin seit 20 Jahren Mediziner und zudem habe ich ein abgeschlossenes Jurastudium, sagte Dr. Siebel im Interview und bringe mein Wissen im Medizinstrafrecht und Medizinhaftungsrecht in mein Wirken mit ein.
Für die Tätigkeit als Notarzt, die ich in meiner Freizeit ausübe, benötigt man eine Zusatzausbildung im Fach Notfallmedizin und eine Zulassung durch die kassenärztliche Vereinigung.
Für Großschadensfälle wie Massenkarambolagen auf der Autobahn, Großbrände oder Überschwemmungen gibt es in Deutschland einen gut organisierten ehrenamtlichen Katastrophenschutz. In diesem bin ich seit meiner Studentenzeit engagiert und habe von Helferausbildung bis zum Verbandsführer alle Qualifikationsstufen durchlaufen. Bei der Bewältigung von Großschadensfällen müssen die Fähigkeiten von Rettungsdienst und Katastrophenschutz gebündelt werden. Sie werden von der Sanitätseinsatzleitung geführt. Diese besteht aus einem Sanitäter und einem leitenden Notarzt.
Schließlich besteht für Katastrophenfälle wie die Corona Pandemie eine Führungsgruppe Katastrophenschutz im Landratsamt. Sie unterstützt den Landrat bei der Bewältigung der Katastrophe und setzt zur Führung aller Einsatzkräfte einen oder mehrere örtliche Einsatzleiter ein. Zur Zeit sind alle vier vorbenannten örtlichen Einsatzleiter im Wechsel aktiv. Das sind Harald Albert, Thomas Eyrich, Marco Brust und ich.
Der Beginn der Corona-Pandemie war bestimmt eine Herausforderung an die Organisation des öffentlichen Gesundheitswesens. In wie weit waren Sie da beteiligt – und wie hat sich das auf Ihr normales Arbeitsverhältnis ausgewirkt?
Nach Ausrufung des Katastrophenfalles durch den bayerischen Ministerpräsidenten war ich als örtlicher Einsatzleiter gemeinsam mit meinen Kollegen an der Errichtung der Teststrecke für Covid 19 und an der Beschaffung von Testkapazität über ein Bad Kissinger Labor beteiligt.
Durch eine Allgemeinverfügung der Staatsregierung wurde landesweit eine zusätzliche ärztliche Katastrophenschutz-Führungsstruktur geschaffen. Durch Verfügung des ärztlichen Leiters auf Bezirksebene wurde ich zum Koordinator der Krankenhaus-Behandlungskapazitäten in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld bestellt. Meine Aufgabe ist die regionale Organisation von Intensiv-Behandlungsplätzen und Transportkapazität für Covid 19 Patienten. Ziel dieser staatlichen Lenkung ist die optimale Therapie für jeden Erkrankten mit möglichst geringem Verbrauch an Schutzmaterial und möglichst geringer Verbreitung des Corona-Virus.
Wie sieht heute ein Arbeitstag für Sie aus? Wie sieht er für einen Mediziner aus, der an der staatlichen Seuchenbekämpfung beteiligt ist?
„Seit 15. März mache ich viel Virologie und wenig Herzchirurgie“, gab Siebel Auskunft. Zeitlich bin ich 70 bis 80 Prozent für den Katastrophenschutz tätig und von meinem Arbeitgeber hierfür freigestellt. Mein Tag beginnt um 06:00 Uhr morgens und war schon immer lang, daran hat die Corona-Krise nichts geändert. Allerdings verbringe ich deutlich mehr Zeit im Auto, am Telefon und am Computer als gewohnt. Den größten Teil meiner operativen Tätigkeit am Rhönklinikum übernimmt mein Stellvertreter. Normalerweise operiere ich drei- bis fünfmal am Tag. Jetzt füllen meine Arbeitszeit Gespräche in Behörden, Kliniken, Praxen und mit dem Rettungsdienst. Zu den Tätigkeiten gehörten unter anderem die Textkapazität hoch zu fahren, Rettungsdienste teilweise umzuorganisieren, Klinikbetten zu organisieren, Dienstpläne neu zue rstellen, Geld und Schutzmaterialien zu verteilen.
Wie ist zur Zeit der Stand in Bad Kissingen?
Am Freitag haben wir den letzten Intensivpatienten auf Station verlegt am Rhönklinikum und gerade keine akut schwer erkrankte Corona-Patienten. Seit Juli bin ich örtlicher Einsatzleiter des Landkreises Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen, nun habe ich als Urlaubsvertretung die Landkreise Haßfurt bis Bad Brückenau mit hinzu gekommen bis Pfingsten, dann werde ich meine Stellvertretung im Rhönklinikum erst einmal in den Urlaub gehen lassen und danach sind selbst ein paar Tage Urlaub geplant.
Gibt es eine Einschätzung von Ihnen aus medizinischer Sicht – wie wird unser öffentliches Leben im Sommer aussehen? Was wird mit Corona anders sein als letztes Jahr?
Es gilt die durch die Ausgangsbeschränkungen gelungene Abbremsung der Pandemie trotz der notwendigen und erwünschten Lockerungen zu erhalten. Wir werden gezwungen sein, ältere und vorerkrankte Mitbürger so lange zu schützen bis eine flächendeckende Impfung entwickelt und verteilt ist. Das werden selbst bei optimistischer Schätzung weitere 12 Monate sein.
Gleichzeitig müssen wir zur Verhinderung immensen persönlichen und wirtschaftlichen Schadens unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben umorganisieren und wieder starten. Dabei wird es auf die Verhinderung der Einschleppung des Virus in Altenheime, Pflegeheime und Krankenhäuser ankommen. Das ist am besten erreichbar durch konsequente Anwendung der Handhygiene, der Abstandsregel und durch die Maskenpflicht. „Meine Hoffnung liegt somit auf die Wirksamkeit der AHA-Regel (Abstand – Hygiene – Alltagsmaske)“. Unter diesen Voraussetzungen wird viel schon in den nächsten Wochen wieder möglich sein.
Massenveranstaltungen und Abstandsunterschreitungen könnten jedoch zu einer zweiten Infektionswelle führen und müssen daher weiterhin unterbleiben.
Wie stehen Sie zu den Prodesten, die gerade in allen Städten, auch in Bad Kissingen stattfinden?
Ein Blick in das Gesetz zeigt, dass meine Grundrechte dort aufhören wo sie bei den anderen beginnen. Das Recht auf freie Entfaltung wird nicht beschnitten. „Ich finde es unverständlich, dass einige Menschen scheinbar mehr wissen als die Experten und diese Dummheiten lautstark verkünden“, sagte Siebel.
Wie kommen Sie gesund durch den Sommer? Was können wir von Ihnen lernen?
Mit Sport und Abstand. Ich fahre gern Rad und laufe. Das werde ich auch diesen Sommer in meinem Lieblingsrevier, der Rhön, tun. Mit etwas mehr Abstand zu den Mitmenschen als bisher und ohne Händeschütteln. Meinen Sommer wird verändern, dass ich keinen Dienst mit dem Roten Kreuz auf Rockkonzerten und dem Rakozcyfest leisten werde. Meinen Urlaub verbringe ich meistens in Deutschland mit der Familie in einem Ferienhaus. Das wird wohl trotz Corona möglich sein.
Herzlichen Dank Herr Dr. Siebel für das Interview.