Kommunale Intelligenz, ein Buch des Hirnforschers Gerald Hüther war meine Lektüre das Wochenende. In seinem Buch fordert er auf, Erfahrungsräume für Kinder und Erwachsene wieder zu beleben und radikal umzudenken. Meine Eindrücke aus dem Buch habe ich einmal festgehalten. Lest selbst.
Die Unternehmen haben es schon gespürt, nun erleben es die Städte und Gemeinden. In einer Welt begrenzter Ressourcen ist unbegrenztes Wachstum nicht möglich. Kommunen sind verschuldet, Stagnation ist auf allen ebenen von Ansiedelung von Unternehmen bis Zuzug von Bürgern zu spüren. Die Wirtschaftskraft fehlt, soziale Brennpunkte entstehen. Wie kann es dennoch zur einer Potentialentfaltung für die Stadt oder Gemeinde kommen?
Der Weg geht über eine neue Beziehungskultur
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind, sagte einmal Albert Einstein. Und dennoch versuchen wir die Probleme der Gegenwart mit noch mehr Vorschriften und Regeln, mit noch mehr Kontrolle und Bürokratie, noch mehr Einsparungen bei gleichzeitiger Forderung nach noch mehr Wachstum zu lösen. Ein Umdenken ist notwendig und das beginnt im Kopf, genau genommen: Im Gehirn, schreibt der Hirnforscher Gerald Hüther in seinem Buch Kommunale Intelligenz. Zurück zur Frage: Wie ist ein Wachstum trotz begrenzter Mittel möglich? Unser Gehirn zeigt uns den Weg. Wenn wir persönlich wachsen, also Wissen und Erfahrungen vermehren, kommt es beim Menschen im Gehirn nicht zu einem Vermehren der Anzahl der Nervenzellen, sondern es kommt zur Intensivierung, Ausweitung oder Verknüpfung, also zur fortwährenden Optimierung der Beziehungen zwischen den Nervenzellen. Übertragen wir es doch einmal auf eine Kommune: Demnach ist ein Wachstum jederzeit möglich, aber nicht durch ein mehr an Einwohnern, ein mehr an Geld, mehr Gewerbetreibende, sondern durch intensivere, inspirierende, ermutigende Beziehungen aller dort lebenden Bürger. Um Wachstum zu ermöglichen, braucht die Kommune eine günstige Beziehungskultur. Eine Kultur, in der jeder wertgeschätzt wird und spürt, dass er gebraucht wird und Menschen miteinander verbunden sind und so voneinander lernen und miteinander lebendig leben, gestalten und wachsen können. Somit heißt Kommunale Intelligenz gemeinsam über sich hinauszuwachsen.
Die Notwendigkeit einer Kommune als Erfahrungsraum
Der Individualist, das Einzelwesen wird völlig überbewertet. Wir sind alle durch andere Menschen zu dem geworden, was wir sind. Eltern lehrten uns das Sprechen, Lehrer das Schreiben und Lesen, selbst das Laufen lernten wir durch andere. Unser Gehirn ist, so bezeichnet es der Gehirnforscher Gerald Hüther, ein sozial geformtes Konstrukt. In diesen Kommunen gibt es verschiedene Erfahrungsräume: die Familien, die Schule, Betriebe, Vereine, Organisationen. Eine Kommune ist somit eine Ort, in dem Menschen lernen, auf was es ankommt, ihr Leben gemeinsam gestalten und einen Teil der Verantwortung für das Zusammenleben übernehmen. Ein afrikanisches Sprichwort heißt: Um Kinder gut großzuziehen, braucht man ein ganzes Dorf. Da ist was wahres dran. Um sich zu entfalten, benötigt es unterschiedlichste Menschen und ein reichhaltiges Spektrum an Möglichkeiten sich auszuprobieren, zudem Vorbilder, Gleichgesinnte und Menschen, die sich und anderen etwas zutrauen und sich um den anderen kümmern.
Kommunen zwischen Problembewältigung und Besitzstandswahrung
Wenn man einen Blick in die Vergangenheit wagt, in denen Gemeinschaften nicht nur zusammenbehalten, sondern gerade in Krisen zusammengewachsen und sich auf ihren ursprünglichen „Geist“, den „Spirit“ besonnen haben. Es entstanden Problembewältigungsgemeinschaften, deren Mitglieder voneinander profitierten und im Aufbau zusammenwuchsen. Durch innere geschaffene Strukturen und die Notwendigkeit der Problembewältigung wurden Probleme immer besser gemeinsam gelöst und Besitz entstand. Eine Gefahr in vielen „reichen“ und „angesehenen“ Städten und Gemeinden birgt das Festhalten und Bewahren an diesem Besitzstand. Energie wird aufgewendet um das Festzuhalten, was ist und war, statt die Energie in die Entfaltung der Potentiale zu lenken. Wenn so etwas passiert ist, wie könnte es zu einer Revitalisierung des kommunalen Zusammenlebens kommen? Weg vom „noch mehr vom Alten“, könnte die Lösung heißen. Es reicht nicht aus, was bisher gemacht wurde einfach noch besser zu tun. Wir müssen einander ermutigen, inspirieren, und wieder mutig, zuversichtlich, offen und vorurteilsfrei, voller Entdeckungsfreude und Gestaltungslust, beziehungsfähig und begeistert unsere Möglichkeiten nutzen, die uns das Leben bietet. Wir müssen reflektieren und bewusste Entscheidungen treffen und unsere Fähigkeiten, Talente, Begabungen und Wissen voll und ganz einbringen.