Eine Welt ohne Zeitmessung, ein Leben ohne Zeit, für Viele undenkbar. Jeder kennt die Uhrzeit, die Tageszeit, den Tag, den Monat und das Jahr. Jedoch ist es so, dass nur wir Menschen uns diese Geisel zu Nutzen gemacht haben. Alle anderen Lebewesen kommen oder Zeitmessung zurecht: Ein Vogel kommt nie zu früh oder zu spät, eine Blume hat keine Termine, ein Hund schaut nicht auf die Uhr und dem Elefanten ist es egal, wie alt er ist.
Nur der Mensch misst die Zeit, definiert sich über die Zeit. Und deswegen hat der Mensch eine einzigartige Angst, die sonst kein anderes Lebewesen kennt. Die Angst, keine Zeit mehr zu haben. Wie oft hören wir den Satz „Ich habe keine Zeit“. Jeder hat die gleiche Zeit, nämlich den Augenblick, der parallel nebeneinander für alle stattfindet. Es stellt sich vielmehr die Frage: Was wollen wir also in diesen Augenblicken machen? Was ist und wichtig? Für was nehmen wir uns Zeit? Also ist „keine Zeit haben“ eine Entscheidung für oder gegen etwas und Zeitnot gibt es gar nicht.
Das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben taucht dann auf, wenn man in einem bestimmten Moment lieber etwas anderes tun möchte. Aber warum tun wir es dann nicht? Sind wir oder lassen wir uns vielleicht von außen beeinflussen? Übernehmen wir vielleicht nicht die Verantwortung für uns und unsere Sehnsüchte, Wünsche, Träume? Räumen wir ihnen keinen Platz ein in unserem Leben? Stattdessen das wir inne halten und verlangsamen, vergegenwärtigen was ist, geben wir unseren Handlungen und Dingen eine größere Bedeutung indem wir sie in Zeit ausdrücken und nach Terminen leben. Was meine ich damit? Vielleicht ein Beispiel: Wir rasen auf den Autobahnen um einen bestimmten Termin noch zu erreichen, wir füllen den Terminkalender um möglichst viele Meetings rein zu bekommen, wir machen vieles gleichzeitig und schnell hintereinander um möglichst nicht zu verpassen und noch effizienter und effektiver zu sein. Wir beschleunigen uns. Nicht andere, sondern jeder einzelne ist für die Beschleunigung und die Langsamkeit in seinem Leben verantwortlich und gestaltet sie selbst in der Abhängigkeit seiner Wünsche und Lebensstandards. Jetzt kommt das große „Ja, aber“.
Die Zeitmessung, die Uhr gibt uns momentan den Takt vor. Gleichzeitig nimmt die Sehnsucht nach „nichts tun“, also ein leeres Zeiterleben oder einer freien Zeiteinteilung zu. Albert Einstein bewies es schon mit seiner Relativitätstheorie, die Zeit ist relativ. Das bewusste Wahrnehmen steuert das Zeitempfinden. Zeit vergeht manchmal schnell oder langsam im Vergleich zur Zeitmessung nach der Uhr. Wir erleben gleiche Zeitspannen als flüchtigen Augenblick oder als gefühlte Ewigkeit. Wenn wir dann auch noch die Zeit nicht nur im Moment sehen, sondern die Vergangenheit und die Zukunft mit einbeziehen, kommt eine Wertigkeit hinzu. „Vor zehn Jahren war das noch besser“, „In zwei Wochen komm ich endlich mal aus der Tretmühle raus, ich habe Urlaub“. Das heißt wir werten den jetzigen Augenblick ab, in dem wir in nicht mehr präsent und aufmerksam im hier und jetzt erleben und den Moment aktiv gestalten. Wir lassen das Leben vorbeiziehen, harren aus und ertragen ohne zu genießen und lebendig zu leben. Wie schnell ist man da in die Opferhaltung und gibt die Verantwortung ab, sucht Verbündete in seinem Leid. Erst sind es die anderen Kollegen, denen es ähnlich ergeht und dann die ganze Gesellschaft. Machen wir es uns mit dieser Haltung nicht ein wenig leicht, oder sollte ich lieber sagen schwer? Und machen wir uns nicht selbst damit krank, psychisch krank?
Also lassen wir doch mal die Zeit weg und genießen den Moment, denn der jetzige Augenblick ist vollkommen und die einzige Wirklichkeit in der wir leben.
Autorin: Anita Schmitt