Gefühle zu erkennen, benennen und ausdrücken zu können, ist wichtig für die psychische Gesundheit. Es ist nicht immer leicht, die eigenen Emotionen einzuordnen. Bin ich nun wütend oder traurig? Bin ich enttäuscht oder eifersüchtig? Bin ich neidisch oder fühle ich mich ungerecht behandelt?
Psychologisch gesehen, sind Gefühle Erfahrungen und Reaktionen, die sich beschreiben und sprachlich ausdrücken lassen. Gefühle sind das Produkt der Verarbeitung von Reizen, die ihren Ursprung in unseren Sinnesorganen nehmen. Über unsere Sinne nehmen wir ein Bild in uns selbst und unserer Umwelt wahr. Gefühle sind die Beurteilung unserer Sinneswahrnehmung im innen und außen. Die sechs grundlegenden Gefühle sind Freude, Trauer, Ärger, Furcht/Angst, Überraschung und Ekel. Durch die Körpersprache, insbesondere die Mimik drücken wir diese kulturübergreifend aus.
Manchmal wird aber ein Gefühl wahrgenommen, das eigentlich eine andere Empfindung überdeckt. Dieses Ersatzgefühl geschieht unbewusst, wenn das ursprüngliche und authentische Gefühl als unerwünscht oder unangenehm gilt. Es fällt beispielsweise leichter, ärgerlich auf einen Lebenspartner zu sein, der einen gerade verlassen hat, statt Traurigkeit und Einsamkeit zu fühlen. Oder ein anderes Beispiel: Es fällt leichter, wütend auf die Politik wegen eines weiteren Lockdowns zu sein, statt sich seinen eigenen Existenzängsten zu stellen. Niemand ist immer ehrlich zu sich selbst. ob bewusst oder unbewusst.
Authentische Gefühle treten spontan in einer Situation auf. Das Ersatzgefühl ist meist unbewusst, wird aber als echtes Gefühl empfunden. Diese verdeckten Gefühle lernen wir schon früh. Sie werden uns im Kindesalter beigebracht. Es sind meist Sätze, zum Beispiel nach dem Hinfallen „Ist alles wieder gut. Du brauchst nicht zu weinen.“ oder zum Beispiel „Jetzt sei nicht beleidigt.“ oder „Hab dich nicht so“ oder „Stell dich nicht so an“, aber auch „Trödel nicht so rum“ und vieles mehr. Es sind gutgemeinte Sätze, die leicht gesagt sind und selbst so gehört wurden. Gesellschaftlich unbequeme und unerwünschte Emotionen wie Angst, Hilflosigkeit, Verzweiflung und Trauer werden verdrängt und Ersatzgefühle entwickelt.
Wie kann seine authentischen Gefühle hinter den verdeckten Gefühlen erkennen?
Ein Spiegel könnte hier zum Erfolg führen. Denn oft führt das Erkennen von Projektionen zur Selbsterkenntnis. Projektionen ist das Übertragen und Verlagern von innerpsychischen Tatsachen oder Konflikten auf andere Personen oder Objekten in der Außenwelt. Dabei ist es egal ob es Emotionen, Affekte, Wünsche oder Impulse sind, die im Widerspruch zu den eignen Werten oder gesellschaftlichen Normen stehen, sie werden abgewehrt. Durch die Reflexion könnte es zur Auflösung der Projektion kommen.
Ein Beispiel: Sie haben vielleicht gerade das Gefühl, die Menschen in ihrem Umfeld sind gerade unaufmerksam und wenig wertschätzend. Alle haben sich gegen sie gerichtet. Um eine mögliche Projektion aufzulösen, fragen Sie sich bitte, ob Sie selbst nicht gerade wütend, unaufmerksam und unfreundlich sind.
Wenn Sie sich gerade darüber traurig sind, dass Freunde sie nicht kontaktieren, überlegen Sie, wann sie das letzte Mal Kontakt aufgenommen haben. Wenn Sie sich darüber ärgern, dass Entscheidungen, von denen sie abhängig sind, viel zu spät getroffen werden, könnten sie hinterfragen, ob das etwas mit ihrer eigenen Ungeduld zu tun hat. Wenn Sie sich über eine bestimmte Person oder Personengruppe aufregen, dann können Sie sicher sein, dass die Eigenschaft, die sie nicht mögen auch ein Charaktermerkmal von Ihnen ist. Auch die Schattenseiten der eigenen Persönlichkeit und die damit verbundenen Gefühle gehören zu einem selbst.
Carl Gustav Jung sagte dazu: “Eine innere Situation, die man sich nicht bewusst gemacht hat, tauch außen als Schicksal auf“. Wenn das nächste Mal ein unangenehmes Gefühl aufkeimt, machen Sie sich Ihre automatische Reaktion bewusst. Nehmen Sie sich Zeit, die Emotionen zu beobachten, akzeptieren sie diese, heißen sie das Gefühl willkommen.
Übung: Wer bin ich?
Rufen Sie eine Situation in Erinnerung, in der Sie ein bestimmtes Gefühl durchlebt haben und fragen Sie sich:
– wenn mein Gefühl ein Tier wäre, dann wäre es…
– wenn mein Gefühl eine Farbe wäre, dann wäre es die Farbe….
– wenn mein Gefühl eine Form wäre, dann wäre es…
– wenn mein Gefühl einen Geruch hätte, dann wäre es…
Zeichnen Sie nun das Gefühl, indem Sie einen Stift in die Hand nehmen und den Stift das Tier zeichnen lassen. Geben Sie ihrem Gefühl einen Namen.
copyright Anita Schmitt
Seminarhinweis:
Mit Gefühl intelligent leben – Onlineseminar am 13. und 14.03.2021, jeweils von 10.00 Uhr bis 11.30 Uhr an der Akademie Heiligenfeld
Demnächst wieder ein Onlineseminar über die Akademie Heiligenfeld.