Die Erkenntnis, das Schreiben hilft und Schreiben heilt, ist nicht neu.
Es gibt schon seit vielen Jahrzehnten in den Zeitschriften den Kummerkasten. Sorgen und Nöte, aber auch freudige Ereignisse werden von Kindesbeinen an einem Tagebuch anvertraut. Wenn man einmal auf die Literatur schaut, wurden über leidvolle Erlebnisse schon Bestsellerromane und Gedichte geschrieben, wie zum Beispiel Anne Frank, Der Junge muss an die Luft, In eisigen Höhen. Ist das ein Wunder? Nein, es gibt nichts authenischeres als von statt über etwas zu schreiben. Schreiben ist eine Art Therapie. Es ist eine Verarbeitung dessen, was als Sorgen oder Ängste schwer auf der Seele lasten, es hilft etwas zu verstehen und zu begreifen und auch loszulassen um darüber hinweg zu kommen. Bekannte Autoren schreiben oft über Themen, was sie beschäftigt, über oder von etwas, was sie bewegt um etwas lösen zu wollen. Ein Autor zeigt sich mit seinen Texten und nutzt es gleichzeitig um sich von Leid, Sorgen und Ängsten zu befreien. Der Autor sieht sich als Ratgeber, Berater, Helfender, Gebender. Das eine oder andere Mal ist es natürlich nur halb-autentisch, fantasievoll ergänzt, um es lesbarer und unterhaltsamer zu machen.
Wenn Schreiben Therapie ist, wie kann man es dann gezielt für die Heilung oder Gesunderhaltung einsetzen?
Viele Untersuchungen, wie z.B. des Psychologen James Pennebaker zeigen, dass Schreiben befreit.
So zeigt die Studie, Schreiben führt zur Entlastung, das Immunsystem der Probanden wurde stärker .Traumatas können aufgelöst werden, eine Besserung von chronischen Krankheiten wie Asthma, Diabetes, Krebserkrankungen, Bluthochdruck, Wundheilung, Depressionen erfolgte.
Das Papier ist geduldig, es ist vertrauenswürdig, es ist nicht bewertend, neutral. Somit ist es auch einfach, sich auf das Gegenüber – auf das vorliegende Stück Papier einzulassen. Rückhaltloses Schreiben, ist auch sich selbst annehmen und lieben. Schreiben geschieht in einem intimen, geschützten Rahmen.
Schreiben heißt auch, die eigenen Gedanken zu strukturieren. Für das Schreiben ist es notwendig „von“ etwas zu sprechen, nicht daran involviert zu sein.Es stoppt das Gedankenkarussel. Zudem wird das Unaussprechliche in Worte gefasst und Bilder entstehen, die mit Abstand angeschaut werden können.
Zudem ist Schreiben sinnstiftend. Zufällige Erkenntnisse bekommen durch das schriftliche Erzählen eine Gestalt. Figuren entstehen, aus dem Opfer wird eine Handelnder. Gleichzeitig kann Schreiben für die Mitmenschen wertvoll sein. Veröffentlichungen helfen anderen als Mitfühlender oder Ratgeber. Der Leser hat das Gefühl mit seinem Erlebten nicht einsam zu sein. .
Schreiben heilt – birgt aber bei der Schreibtherapie Gefahren.
Ist man gerade stark erschüttert vom Erlebten, gefangen in sein Leid, voller Sorgen und Ängste, in Trauer, ist das Schwierigste den Mut und die Kraft zu haben, mit dem Schreiben zu beginnen. Dabei ist es im ersten Moment unwichtig, ob das kreative Schreiben oder die Schreibtherapie genutzt wird. Wichtig ist es mit dem Schreiben zu beginnen und es regelmäßig zu tun.
Schreiben holt aber auch die Schatten ans Licht und hier ist ein wenig Vorsicht geboten, denn der Schmerz kann aufwühlen und sie können getriggert werden. Gefühle können zu stark werden, so dass sie diese nicht mehr einordnen und bewältigen können. Hier hilft es, beim Schreiben nicht von sich zu sprechen, sondern in der dritten Person zu schreiben. Geben sie ihrem Erlebten eine Figur. Sprechen sie dann über etwas und nicht von sich selbst.
Schreiben heilt – die Wirkung von therapeutischem Schreiben
Die Wirkung des therapeutischen oder auch experssiven Schreibens entsteht dadurch, dass Sie das Problem anerkennen. Durch die Fragen „Was ist passiert?“ und „Wie fühle ich mich dabei?`“ wird das Problem beschrieben und durch das in Worte fassen anerkannt. Durch das Schreiben bekommt das Problem Logik und Struktur, denn es wird zeitlich in eine Abfolge gebracht und logische Zusammenhänge festgehalten. Gerade wenn Sie die Bindewörter nachdem, vorher, weil, deswegen, dadurch verwenden. Das Schreiben ergündet Gefühle und Gedanken und lässt das Verhalten hinterfragen. Vergleiche zu anderen Geschehnissen sind dabei hilfreich. Mit der Beschreibung eines Problems wird dieses objektiver betrachtet. Distanz zum Problem wird geschaffen. Mit ein wenig Übung, können Sie das Erlebte in kurze Geschichten schreiben. Durch das Niederschreiben und Loslassen (denn dort steht es ja geschrieben) verliert das Problem zunehmend an Bedeutung und Positives rückt in den Focus. Das Wohlbefinden steigt, der Stresslevel wird reduziert, der Schlaf verbessert. Der Kopf wird frei für Beziehungen, ob Freude oder Familie.
Schreibübung- Schreiben heilt
Gerne möchte ich Ihnen nun den Zugang zur Übung in der Studie von Pennebaker und Smyth geben. Sollten Sie sich in einer Therapie befinden, sprechen Sie diese Schreibübung bitte zuvor mit ihrer Therapeutin/ihrem Therapeuten ab.
Die Übung lautet:
In den kommenden vier Tagen [mit jeweils 20-minütigen Schreibeinheiten] bitte ich dich über deine tiefsten Gefühle und Gedanken zu schreiben, bezogen auf die bestürzendsten Erfahrungen deines Lebens. Lass alle Hemmungen los [und achte nicht auf Grammatik, Rechtschreibung oder Schönschrift] [..]. Vielleicht beziehst du dich auf Ereignisse in deiner Kindheit. Schreibe über die Beziehung zu deinen Eltern, über Menschen, die du geliebt hast oder noch heute liebst oder über deinen Berufsweg. Wie stehen diese Erlebnisse in Zusammenhang mit der Person, die du in Zukunft werden möchtest, die du in der Vergangenheit warst oder heute bist?
Viele Menschen haben keine traumatischen Erlebnisse zu verzeichnen, doch jede*r von uns hat in seinem*ihrem Leben schwierige Konflikte oder Stresssituationen erlebt. Über diese [Erfahrungen] kannst du ebenso schreiben. Du kannst an allen vier Tagen über das gleiche Thema schreiben oder über eine Reihe von verschiedenen Problemen. [..]
Warnung: Viele berichten, dass sie sich nach dem Schreiben traurig oder deprimiert fühlen – so, wie du auch nach einem traurigen Film niedergeschlagen bist. Dieses Gefühl verfliegt jedoch nach einigen Stunden. Wenn du merkst, dass ein Thema dich besonders aufwühlt, kannst du jederzeit aufhören zu schreiben oder das Thema wechseln.
entnommen: Die Geschichte des Expressiven Schreibens: Pennebaker, James W., Smyth, Joshua M. (3. Auflage, 2016): Opening Up by Writing It Down
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21.10.2023 und 22.10.2023 oder
jeweils von 10:00 Uhr bis 11.30 Uhr statt.
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