Es ist wieder soweit. Unzählige Menschen begeben sich auf den Weg. Sie pilgern zu den verschiedenen Wallfahrtsorten in Mainfranken. Es sind beschwerliche, mühsame, sogar manchmal schmerzhafte Schritte. Dennoch sind es Jahr für Jahr Tausende von Menschen. Nur wer es einmal erlebt hat, kennt die Bereicherung einer solchen Wallfahrt. Jeder Einzelne findet in der Gemeinschaft und im Gebet seine eigene Erkenntnis. „Vertrauen zu mir, zu anderen und zu Gott“ ist eine meiner Erfahrungen.
Vertrauen zu mir selbst
Unmögliches gibt es für mich nicht, wird es auch nie geben, denn ich vertraue auf Gott, er vermag alles”, dieser Satz von Franz von Sales, war stets ein Leitspruch von mir und so begann ich vor drei Jahren meine erste Wallfahrt. Mein Urvertrauen wurde hart auf die Probe gestellt. Der Weg der Wallfahrt war lang, es gab viele Anstiege und noch schlimmer war es, wenn es steil bergab ging. Es waren oft mühsame Schritte. Die Füße schmerzten, die Oberschenkel brannten, die Rückenmuskulatur war verspannt. Oftmals fragte ich mich, warum tust du dir das an? Immer wenn ich verzagte, kam dann ein guter Abschnitt. Ein Lichtblick. Ich werde nie die Ruhe im Wald vergessen, die Baumwipfel, durch die die Sonne blinzelte.
Allerdings noch bereichernder fand ich für mich das Überwinden meiner eigenen Grenze. Eine Erkenntnis, die mich in meinem Urvertrauen bestärkte. Einst sagten es meine Eltern zu mir: „Du schaffst das“, nun stellte ich es Schritt für Schritt selbst fest.
Es ist nicht immer einfach, sich selbst zu vertrauen, seinen Selbstwert zu kennen, selbstbewusst durch das Leben zu gehen. Es gibt Hindernisse, Rückschläge – ähnlich wie beim Wallfahren geht es steil bergauf und manchmal auch steil bergab. Die Wege sind uneben, manchmal glatt. Es gibt Verlockungen rechts und links des Weges. Immer wieder heißt es, sich auf andere Situationen einzustellen und dabei auf die eigenen Stärken, aber auch Schwächen zu vertrauen.
Vertrauen zu anderen
Vertrauen der Menschen zueinander ist etwas Grundlegendes. Diese Tugend legt meines Erachtens den Grund, auf dem lebendiges Denken und Handeln und eine Gemeinschaft in Liebe möglich ist.
In den meditativen ruhigen Phasen der Wallfahrt denke ich an die Geschehnisse der letzten Tage und Wochen. An meinen ganz normalen Alltag. Ich nehme ihn an um ihn zu etikettieren und loslassen zu können. Ruhe zu finden, mein Bewusstsein zu schärfen. Auf diesem Weg dachte ich: Wie viel Vertrauen schenken wir völlig unbewusst unseren Eltern, Partnern, Kindern oder unseren Kollegen im Beruf, und den Freunden in unserer Freizeit? Wie oft vertrauen wir fremden Menschen im Straßenverkehr oder auch Dingen, zum Beispiel der Technik? Wir tun so vieles, ohne es zuvor geprüft zu haben. Ich stellte fest: Durch das Vertrauen wird mir eine Menge Arbeit erspart und Belastung abgenommen. Vertrauen zeigt mir, was ich anderen Wert bin, die mir vertrauen, und welchen Wert für mich die anderen haben, denen ich vertraue.
Umgekehrt kann die Erfahrung von Vertrauensmissbrauch Leben zerstören. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ lautet daher ein bekanntes Sprichwort, das Lenin einmal gesagt haben soll. In dem Satz stellt er das Misstrauen über das Vertrauen. Meines Erachtens ein falscher Ansatz. Vor vielen Jahren las ich einen Satz des Schriftstellers Carlo Caretto (1910-1988) von der Ordensgemeinschaft der Kleinen Brüder Jesu, der mich heute noch prägt: „Von allen Geschenken, die du jemandem geben könntest, ist das Vertrauen das größte. Auf Gott oder den Menschen vertrauen bedeutet Frieden, Freude, Heiterkeit, Sicherheit, Stärke. Nicht vertrauen bedeutet Einsamkeit, Traurigkeit, Angst.“ Vertrauen ist und bleibt für mich, trotz mancher Enttäuschung, die ich erlebt habe, eine wichtige Tugend im Umgang mit anderen Menschen.
Pilgern heißt auch, sich die Zeit nicht nur für Gott zu nehmen, sondern auch für sich. Mir wurde auf einen meiner „Schritte im Namen Gottes“ bewusst, dass meine Aufgabe darin besteht, diese Tugend in mir wachsen und reifen zu lassen.
Vertrauen zu Gott
Als ich so auf dem Weg im Gebet bei mir war, erinnerte ich mich an eine Legende, die ich im Internet vor Kurzem gelesen hatte. Sie handelte von einem Engel, der im Himmel täglich waschkörbeweise die Bitten der Menschen sammelt, sortiert und zu Gott bringt. Ich sah Gott in meinen Gedanken vor mich sitzen, wie er sorgfältig jeden einzelnen Brief durchlas. Eines Tages begannen die Engel rege zu diskutieren, ob denn der ganz Aufwand nötig sei, ob Gott sich wirklich mit jeder einzelnen Bitte auseinandersetzen müsse. Gott hörte davon und sprach zu den Engeln: „Im Grunde habt ihr ja recht, aber wir müssen mit den Menschen viel Geduld haben. Manches Mal wenn ich das so lese, wünsche ich mir, dass auch ich einmal eine Bitte an die Menschen richten dürfte. Ich hatte nur eine einzige Bitte, nämlich, dass mir die Menschen vertrauen.“
Ich schaute rechts und links neben mich und sah die Pilger. Sie schenken Gott Vertrauen.
Viele von ihnen haben Gott in guten Zeiten, aber auch in schlechten Tagen erlebt. Tage, an denen Sie gebetet und keine Antwort erhalten haben. Tage, an denen sie trotz des Vertrauens, enttäuscht wurden auf die Probe gestellt wurden. Gott schenkt man Vertrauen und erwartet, dass er sein Versprechen einhält. Als Jugendliche habe ich zu Gott gebetet, vor schwierigen Prüfungen. Dann wenn ich befürchtete, dass kann doch nichts werden und Gott gab mir Zuversicht. Manchmal kam es aber vor, dass Gott sich mehr Zeit gelassen hat, als ich mir das vorgestellt habe. Mir fehlten oft die Geduld und das Verständnis, dass alles seine Zeit hat und seine Zeit braucht.
Auf dem sehr langen Weg der Wallfahrt verspüre ich die Ruhe und die Besinnung auf Gott. In Gebeten und im Gesang ist mir Gott nah und ich öffne mich ihm, fernab von aller Hektik, dem beruflichen und privaten Alltag, inmitten einer Gemeinschaft im Glauben an Gott.
Autorin: Anita Schmitt